Inklusion als Chance

Unsere Aufgabe ist es, Menschen mit Behinderung die Teilhabe am Leben zu ermöglichen. Und das Leben ist, sei es das gesellschaftliche Leben oder das Arbeitsleben, höchst individuell“, sagt Stefan Fischer, Gruppenleiter in den Begleitenden psychiatrischen Diensten von Vitos Kurhessen in Guxhagen. Zu seinem Team gehören sechzehn Kollegen, darunter Erzieher, Heilerziehungspfleger, eine Krankenschwester und ein Ergotherapeut. Sie unterstützen 37 Menschen mit seelischer Behinderung. Das bedeutet, dass diese Menschen alle ein besonderes Schicksal haben, mit dem sie mehr oder weniger gut umgehen können. Sie sind in ihrem Leben eingeschränkt z.B. durch eine chronische Depression oder Angststörung und können nicht mehr wie gewohnt am gesellschaftlichen Leben teilnehmen, also in der Familie oder mit einem Partner zusammen leben oder einer Arbeit nachgehen. Und es fällt Ihnen schwer, sich selbst zu versorgen. Wir helfen Ihnen wieder auf den Weg zurück in die Teilhabe am Leben. Drei Bewohner haben ein Stück altes Leben bereits zurück gewonnen, sie leben nicht auf dem Klosterareal, sondern in einer Wohnung in Guxhagen. „Alle unsere Klienten sind freiwillig hier“, sagt Stefan Fischer. „Sie vertrauen uns und wir haben mit allen ein gutes Miteinander.“ Alle kennten ihre Diagnose, wüssten, warum sie Hilfe brauchten und gingen mit ihrer Erkrankung offen um.


„Wenn der Einzelne in eine Krise kommt, dann wird dies hier früher erkannt, als lebte er irgendwo allein ohne Begleitung. Beide Seiten, der Klient und die Begleiter, nehmen wahr, wenn sich eine Krise anbahnt, und so können wir sogleich helfen. Häufig reicht schon ein intensives Gespräch, aber wir können auch einen Psychiater oder Hilfe aus unserer Klinik hinzuziehen und die Therapie anpassen. Doch diese Akutkrisen treten weit seltener auf als früher, und weil wir einander kennen, achten und vertrauen, können wir früher handeln und den akuten Phasen die Spitzen nehmen“, sagt Stefan Fischer.


Früher, erinnert sich Stefan Fischer, war das anders. Da mussten sich die Menschen mit einem seelischen Leiden nach den Vorgaben der Institution richten. Sie lebten wie kaserniert, und ihr Wille habe wenig bis nichts gegolten. Heute bestimmten die seelisch Behinderten ihre Ziele selbst, und in einem Teilhabeplan werde vereinbart, wie die Ziele mit Hilfe von Fischers Team am besten zu erreichen seien. Ein Ziel könne zum Beispiel lauten, dass ein Bewohner zurück in seine eigene Wohnung wolle. Um das Ziel zu erreichen, helfe ihm das Team und unterstütze ihn z.B. beim Einkauf, bei der Zubereitung der Mahlzeiten sowie beim Reinigen der Wohnung. Die meisten Klienten, berichtet Fischer, gingen allein in der Nachbarschaft einkaufen. „Wir befähigen unsere Klienten zur Eigenständigkeit“, sagt Stefan Fischer.


Auf die Frage, ob es für die seelisch Behinderten eine Heilung gebe, antwortet Stefan Fischer mit der Gegenfrage: „Was ist Heilung? Was ist schon gesund? Es geht darum, Barrieren zu überwinden und den Bewohnern ein erfülltes Leben zu ermöglichen.“ Manche Menschen wohnten schon fünf bis zehn Jahre auf dem Klosterareal. Die einen empfinden die Mauern als schützenden Wall, die anderen vermissten das Stadtleben. Die Tatsache aber, dass drei Bewohner außerhalb des Areals lebten, zeige, dass die Menschen mit einer seelischen Behinderung auch Eigenständigkeit gewinnen könnten. Bestimmte Symptome könnten zwar durchaus gelindert werden, aber die Erkrankung werde ein Leben lang bleiben.


In der Gesellschaft, sagt Stefan Fischer, gebe es noch immer viele Vorurteile gegenüber den seelisch Behinderten: „Die Menschen denken in Klischees.“

   Von den Nachbarn in Guxhagen und von der Kommune wünscht sich Stefan Fischer, dass sie aktiver Kontakt aufnehmen zum Leben in den schönen alten Klostermauen. „Und wer sich entscheidet, hierher zu ziehen, um hier zu leben, ist eingeladen in unser Bewohner-Café und zur Begegnung mit Menschen, die ihr Leben so individuell leben wie alle anderen es  auch tun. Wer den Klostergarten mit uns teilt, der lernt fürs Leben. Denn jeder ist verschieden. Mit dieser Erkenntnis, das Leben für alle nicht nur menschlicher, sondern auch erfolgreicher zu machen, indem wir es mit möglichst verschiedenen Menschen teilen, sind andere offenbar schon weiter. Es gibt inzwischen auch einige Unternehmen, die Inklusion als Erfolgsfaktor sehen.

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